Beim
letzten Mal habe ich mich mit der Frage beschäftigt, ob die ganze
neue Technik die Fotografie zerstört. Wie ihr dort lesen konntet,
bin ich aus diversen Gründen der Meinung, dass sie es nicht tut.
Wenn nun also die Fotografie durch die ganzen neuen Technologien
schon nicht komplett zerstört wird, wird dies vielleicht mit der
Fotografie als Kunst geschafft? Machen all die vielen Automatiken,
die ganzen Fotoapps und Presets und die grosse Fülle an ins Internet
gestellten Bilder die Fotografie als Kunst kaputt? Kann mittlerweile
einfach jeder zur Knipse greifen und „Kunst“ machen bzw. den
Kunstbegriff im Bereich der Fotografie immer weiter verwässern?
Wenn
man sich mit dieser Frage beschäftigt, muss man zunächst einmal den
Begriff „Kunst“ definieren. Wann ist etwas Kunst? Und da fängt
es ja schon an. Eine wirkliche allgemeingültige Definition gibt es
nicht. Der Duden hat hierzu gar keine Meinung und wenn wir das
allwissende Wikipedia bzw. den aussterbenden Brockhaus bemühen,
finden wir folgendes:
„
Das
Wort Kunst
bezeichnet im weitesten Sinne jede entwickelte Tätigkeit, die auf
Wissen, Übung, Wahrnehmung, Vorstellung und Intuition gegründet ist
…... Im engeren Sinne werden damit Ergebnisse gezielter
menschlicher Tätigkeit benannt, die nicht eindeutig durch Funktionen
festgelegt sind. Kunst ist ein menschliches Kulturprodukt, das
Ergebnis eines kreativen Prozesses.“(gemäss Wikipediaeintrag zum Begriff Kunst)
Da
nun dieser Punkt geklärt ist, können wir nun den nächsten Schritt
machen. Torpediert die ganze neue Technik und die aus dem Boden
schiessenden Hobbyfotografen mit ihren zahllosen Bildern diese
Defintion? Betrachten wir doch zunächst einmal das Hauptargument
welches immer wieder gebracht wird, wenn es um die bedrohte Fotokunst
geht: die Vielzahl an hochgeladenen Bildern. All die vielen,
qualitativ schlechten Aufnahmen führen dazu, dass man die Fotografie
immer weniger ernst nimmt und schon gar nicht mehr als Kunst
akzeptiert. Aber ist das wirklich so? Gemäss obiger Definition wird
Kunst nicht dadurch bestimmt, wie gross bzw. wie klein die Menge der
Ergebnissen ist, die aus einem „künstlerischen Prozess“ heraus
entstehen. Irgendwie auch logisch, denn sonst wäre die Malerei ja
auch bedroht, denn es gibt doch auch hier eine Vielzahl von
Hobbymalern, die nun wirklich nicht alle Kunst fabrizieren. Von den
Tourimalern in den ganzen Urlaubshochburgen ganz zu schweigen. Die
Menge kann also keine Gefahr sein. Und auch wenn diese ganzen
Erzeugnisse im Gegensatz zur Hobbyfotografie nicht alle einer breiten
Öffentlichkeit im Internet zugänglich sind, kann auch hier keine
wirkliche Bedrohung vorliegen. Oder stand in der Definition etwas
über die Art der Veröffentlichung?
Bleiben
noch die ganzen Automatiken. Vollprogramme an der Kamera, Apps im
Handy, Presets am Computer, All dies hochgelobte Zeug, dass es heute
jedem ermöglicht, ohne grosses Wissen Bilder zu schiessen, die
hinterher auch noch ganz ansehnlich sind. Gepriesen sei die Technik.
Hah, und jetzt haben wir den Salat. Gemäss Definition ist nämlich
Kunst das Ergebnis kreativen Denkens, welches auf Wissen basiert und
zielgerichtet ist. Davon kann nun bei automatisierten Bildern
definitiv nicht die Rede sein. Das schiefe Landschaftsbild, bei dem
die Landschaftsvollautomatik die richtige Schärfe und Belichtung
besorgt hat, das Freistellungswerkzeug alles begradigt und für den
richtigen Ausschnitt sorgt und eines der vielen Presets eine
wunderschöne Stimmung herbeizaubert, ohne dass der Erzeuger auch nur
den Hauch einer Ahnung von Blende, Schärfentiefe und goldener
Schnitt hat, ist nun ganz sicher nicht Ergebnis eines auf wissen
basierenden, zielgerichteten, kreativen Prozesses.
Aber
ist das wirklich so? Ein gewisses Wissen muss schliesslich vorhanden
sein, denn sonst hätte der „Künstler“ weder die richtigen
Knöpfe auf der Kamera gedrückt noch die passenden Einstellungen im
Entwicklungswerkzeug durchgeführt bzw. durchführen lassen. Und auch
wenn er selber nicht weiss, was da genau im Hintergrund passiert ist,
hat er doch mit all seiner Kreativität so lange Regler in seiner
Software verschoben und Presets ausprobiert, bis er ein Ergebnis
hatte, welches ihm gefallen hat. Also doch ein künstlerischer
Prozess? Zumindest in gewisser Art und Weise ein zielgerichtetes,
kreatives Handeln.
Ich
weiss, jetzt fange ich an, Haarspalterei zu betreiben. Ich könnte
schon fast ein Anwalt sein. Die kennen sich mit Wortverdreherei
bestens aus. Ich bin mir bewusst, dass man wohl bei solchen Bildern,
genau wie den Geburtstagsschnappschüssen von Oma Elses 80sten, nicht
wirklich von Kunst sprechen kann. Aber erstens kann man das bei einem
Stück Fett in der Ecke meiner Meinung nach auch nicht wirklich tun
und tut es dennoch. Zweitens geht es darum aber auch gar nicht. Es
muss nicht alles, was auf einen Fotosensor gebannt wird, Kunst sein.
Genau sowenig, wie jedes gemalte Bild, jede gehämmerte Steinskulptur
oder jedes zusammengeschweisste Stahlgerüst. Es muss doch erlaubt
sein, einfach nur Bilder zu machen. Einfach ohne grosses Wissen auf
den Auslöser zu drücken, die Technik all den Rest machen zu lassen
und sich am Ende über das Ergebnis zu freuen. Und nur weil es dann
per Internet der breiten Öffentlichkeit präsentiert wird heisst das
noch lange nicht, dass der „Schöpfer“ dies tut, weil er seine
„Kreation“ für Kunst hält. Zur Kunst heben es im Prinzip erst
all diejenigen, die darüber diskutieren, dass solche „Kunstwerke“
die Fotografie als Kunst immer mehr ad absurdum führen und
Fotografie deswegen als Kunst immer weniger ernst genommen wird.
Wenn
die Fotografie als Kunst bald nicht mehr existiert, dann eher, weil
wir die Fotografie viel zu ernst nehmen. Es scheint fast so, dass all
die „etablierten“ Fotografen, die Profis und Hobbyprofis Angst
davor haben, irgendwann einmal ein Bild in die höchsten
fotografischen Sphären zu loben, ohne zu merken dass dieses ohne
jegliches Fotowissen per Smartphonekamera durch Apps gejagt erzeugt
wurde? Aber warum? Was sollte daran beängstigend sein? Wenn dies je
passieren sollte (und irgendwie bezweifle ich, dass dies passieren
könnte) dann ist es eben so. Müssen wir das schönste Bild auf
Erden verteufeln, verbannen und vernichten, nur weil es nicht im
vollsten Fotowissen erzeugt wurde sondern durch Vollautomatiken und
Softwarepresets?
Oder
liegen die wahren Gründer dieser Diskussion gar noch viel tiefer?
Fürchten all die Profis, all die Fotografen, die die Fotografie von
der Pike auf gelernt oder sich zumindest sehr intensiv mit dem Thema
und dem theoretischen Wissen auseinandergesetzt haben, irgendwann von
irgendsoeinem dahergelaufenen Hobbyknipser überholt zu werden, der
ohne grosses Wissen bessere Bilder macht. Sorry Leute, aber zunächst
einmal bin ich erneut der Meinung, dass dies nicht passieren kann,
sofern ihr tiefes und jahrelang erlerntes Wissen über die Fotografie
habt. Aber selbst wenn es so wäre, bleibt doch einfach locker. Dann
ist es eben so, dann macht der halt bessere Fotos. Statt jetzt
schmollend auf dem Boden zu liegen könnte dies doch auch ein Ansporn
sein, sich in seiner eigenen Fotografie weiterzuentwickeln und dem
unwissenden Hobbyknipsern zu zeigen, was eine Harke ist.
Aber
nein, viel lieber wird darüber diskutiert und gejammert, wie all
diese neuen Technologien alles kaputt machen. Ja, ich habe letztens
in einem Blogkommentar sogar von einem Fotografen gelesen, der keine
Workshops mehr für Hobbyfotografen anbietet. Grund: Er züchtet sich
doch nicht seine eigene Konkurrenz. Bitte schön? Sind wir jetzt
schon so weit? Erstens haben doch viele mal klein als Hobbyfotograf
angefangen und so mancher grosser Meister von heute war vielleicht
froh, dass ihm am Anfang die Automatiken und Presets die ersten
Schritte vereinfacht haben. Zweitens muss es in der Fotografie doch
auch Platz geben für Leute, die einfach mal hier und da ein Bildchen
machen und damit einfach Spass haben, ohne die Fotografie gleich zu
einer Lebensaufgabe zu ernennen. Natürlich können wir auch
weiterhin versuchen unser idyllisches Kleinod Fotografie gegen all
die sinnlosen Bildveröffentlichungen und wissensfreien Fotografen zu
verteidigen. Aber eines ist sicher. Wenn wir die Sache so sehen,
zerstören wir die Fotografie am Ende doch noch. Aber nicht wegen all
der Technik. Nein, wir schaffen das mal wieder ganz allein. Wenn wir
nämlich so sehr Angst davor haben, dass es Fotografen gibt, die
keine oder nur marginale Ahnung von Fotografie haben und dennoch
besser sind als man selbst und deswegen mit allen Mitteln versuchen,
diese klein zu halten, werden wir keine neuen Wege mehr gehen,
werden wir keine neue Inspirationen mehr erhalten und wird sich die
Fotografie irgendwann nicht mehr weiterentwickeln. Willkommen
Langeweile, Auf Wiedersehen Fotografie, denn eines ist sicher:
Stillstand ist der Tod. In diesem Fall wäre es dann der Tod der
Fotografie.
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