Wir sind es in der heutigen Zeit gewöhnt, überall erreichbar zu sein, jederzeit an Informationen zu kommen und ständig vernetzt zu sein. Darüber habe ich ja schon einmal etwas geschrieben. Mit dieser Tatsache sind wir es aber auch immer mehr gewöhnt, jederzeit und überall fotografieren zu können. Die Technik wird immer besser und mittlerweile hat doch wirklich fast jeder ein Handy mit einer Kamera und kann damit zu jeder Zeit seine Umgebung auf Bildern festhalten. Und wenn das Bild schon einmal im Handy ist, können wir es via mobilen Web auch gleich in die grosse weite Welt hinausschicken. Egal ob es dort draussen überhaupt jemanden gibt, der diese fotografischen Ergüsse sehen möchte. Und natürlich ist man da als ernsthafter Fotograf nun versucht zu sagen, dass diese Handyknisperei zu viel ist und mit wahrer Fotografie nichts mehr zu tun hat: Aber stimmt das wirklich oder kommt hier mal wieder die unglaubliche Ignoranz zum Vorschein, die man in der Fotografie immer wieder antrifft?
Die Frage, die man heute immer wieder liest, ist die Frage danach, ob sich die Fotografie in diesen modernen, schnelllebigen Zeiten verändert und ob die Fotografie vielleicht sogar durch das erhöhte Fotoaufkommen im weltweiten Wunderweb immer mehr zerstört wird. Nun wäre es natürlich ein leichtes zu sagen „Ja, die Handys und ihre Kameras sind schuld daran, dass es immer mehr Fotomüll gibt und dass man sich in den Communities durch immer mehr schlechte Bilder kämpfen muss“. Aber macht man es sich damit nicht ein bisschen zu leicht? Handybild = schlechtes Bild?
Ich glaube, dass man im Netz genauso viel schlechte Bilder finden kann, die mit „professionellen“ Equipment aufgenommen wurden. Wenn der Standpunkt oder der Bildausschnitt nicht stimmt, das Motiv schlecht gewählt ist oder man nicht den richtigen Zeitpunkt trifft, kann auch eine DSLR nichts mehr retten. Dann ist das Bild eben einfach schlecht. Aus diesem Grund haben gute oder schlechte Bilder rein gar nichts mit dem Material zu tun, mit dem es aufgenommen wurde. Natürlich ist der Spielraum einer Handykamera im Vergleich zu einer DSLR begrenzt, natürlich fotografiere ich einen Blitz oder zeichne ich Lichtspuren besser mit einer DSLR auf einem Stativ als mit einem Handy. Aber daraus zu schliessen, dass man mit dem Handy somit überhaupt keine guten Aufnahmen machen kann, finde ich falsch und schlichtweg sogar arrogant. Schliesslich kann ich meine grosse Kameraausrüstung nicht immer und überall dabei haben, dass Handy steckt aber in der Regel immer in meiner Tasche und dann wird es doch wohl erlaubt sein, diese auch zu nützen, wenn einem ein unglaubliches Motiv über den Weg läuft. So lange man weiss, wo die Grenzen des Handys liegen und man mit diesen umgehen kann, können dann sehr wohl wunderschöne Aufnahmen herauskommen.
Ich gebe ja zu, dass die Bilderflut im Internet in letzter Zeit immer mehr zunimmt. Es stimmt, dass immer mehr Menschen fotografieren und ihre Ergebnisse in den verschiedenen Netzwerken präsentieren. Und natürlich stimmt es auch, dass dadurch auch die Zahl der schlechten Fotografien zunimmt. Aber das liegt sicher nur in so weit am Handy, als dass mit diesem und unserer neuen Dauervernetztheit Bilder eben schneller und einfacher ins Netz hochgeladen werden können. Die Qualität der Bilder hat rein gar nichts mit der Kamera zu tun.
Dann ist also der Mensch selber dran Schuld? Herr Müller und Frau Meier sind die Übeltäter, weil diese dauernd ihre schlechten, mit was auch immer aufgenommenen, Fotos ins Netz stellen müssen? Dann müssen wir denen das also verbieten, quasi eine Fotopolizei einrichten, die verhindert dass jeder Hinz und Kunz Bilder ins Netz stellen darf? Prima. Sehr gute Idee. Damit wären wir dann wieder bei der in der Fotografie immer wieder vorkommenden Arroganz angelangt. Mit welchem Recht nehmen wir „ambitionierten (Hobby-)Fotografen“ uns denn heraus, Bilder ständig und ungefragt ins Netz stellen zu dürfen und anderen dies zu verbieten? Wer erlaubt es uns denn wirklich beurteilen zu können, wann ein Bild gut und wann schlecht ist? Ich finde die Frage, ob ein Bild gut ist oder ob nicht, kann meistens sowieso nicht beurteilt werden, da sie rein subjektiver Natur ist. Jeder, der Bilder ins Netz stellt, findet die doch irgendwie gut, sonst würde er dies ja nicht tun. Dies gilt zumindest für die Fotocommunities. Bei den anderen sozialen Netzwerken ist der Fall etwas anders gelagert, denn hier hat natürlich der Spass- und Wiedererkennungsfaktor einen sehr grossen Stellenwert.
Natürlich wird es langsam zu viel, was alles ins Netz geladen wird. Natürlich wäre weniger mehr. Aber so ist es nun mal. Das ist doch die Idee des Internets. Jeder darf es nutzen, jeder darf dort Dinge einstellen, egal ob gefragt, egal ob gewollt und vor allem egal ob gut oder schlecht, wenn man dies überhaupt beurteilen kann. Wir können das Rad der Zeit nicht mehr zurück drehen. Wir müssen einfach lernen, damit umzugehen. Natürlich finde ich es nicht gut, dass jeder mit seinem iPhone Bilder aufnimmt, anschliessend irgendeine Fotoapp darüber laufen lässt und dann das Ergebnis hochlädt. Nicht, weil es schlecht ist. Nein, es kommen sicher sehr gute Bilder aus den Apps heraus. Ich finde es deswegen schade, weil sich der Benutzer, der Fotograf, meistens nicht bewusst macht, was da eigentlich passiert. Er lässt einfach irgendwelche automatischen Apps über seine Bilder laufen und freut sich anschliessend, dass die Bilder so gut aussehen. Leider weiss er aber nicht, warum. Das finde ich schade und das hat auch sicher nichts mit ambitionierten Auseinandersetzen mit der Fotografie zu tun. Aber das muss es auch nicht. Er hat Spass daran, er ist glücklich und genau darum geht es in der Fotografie meiner Meinung nach in erster Linie. Um Spass. Wie wir zu dem kommen, ist jedem selbst überlassen.
Ich hätte auf diese Weise keinen Spass an der Fotografie. Ich möchte selber beeinflussen, wie mein Bild nachher aussieht. Aber deswegen mache ich keine besseren Bilder und ich bin auch nicht eingeschnappt, wenn anderen die Automatik-Smartphone-App-Bilder besser gefallen, als meine, für die ich vielleicht zunächst Stunden in eisiger Kälte verbracht habe um sie aufzunehmen und anschliessend noch mal Stunden vor dem Rechner. Und warum? Weil ich bei diesen vielen Stunden sehr viel Spass hatte und ich genau deswegen dieses Hobby betreibe und nicht, um andere damit zu beeindrucken oder andere Fotografen zu „schlagen“.
Um noch mal auf den Anfang zurück zu kommen. Wird die Fotografie zerstört? Ich denke nein. Wahrscheinlich wurde diese Frage schon gestellt, als die digitale Fotografie damit begann, die analoge zu verdrängen. Die Fotografie wird durch diese neuen Technologien nicht zerstört. Sie verändert sich lediglich, entwickelt sich weiter. Schlechte Bilder gab es schon immer und wird es auch immer geben, wir konnten sie eben nur nie so wahrnehmen wie heute, weil sie in Oma Hildes Fotobuch verschwanden. Nun gelangen sie eben ins Internet. Aber ebenso gelangen nun auch vermehrt gute Aufnahmen ins Netz. Dank neuer Technik bekommen wir doch heute auch viel mehr gute Bilder zu sehen als früher. Bilder, für die wir Magazine hätten lesen, Bücher hätten kaufen oder Galerien hätten aufsuchen müssen. Oder wir hätten sie nie gesehen, weil sie zusammen mit den schlechten in Oma Hildes Fotoalbum verschwunden wären. Freuen wir uns doch an der neuen Bilderflut, sie bringt nicht nur schlechtes. Und was wir uns anschauen und was nicht, entscheidet doch letztlich jeder selbst.
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